Dienstag, 27. September 2016
Schöne, neue Welt
Hat das Jugendamt heute schon mein Kind abgeholt?
13. Januar 2013. Science Fiction und Krimis sind in den so genannten "sozialistischen Ländern" beliebte Literaturgattungen gewesen, weil Schriftstellerinnen und Schriftsteller so ihre Kritik an den gesellschaftlichen Verhältnissen verpacken konnten, ohne gleich ins Gefängnis zu müssen. Dass längst nicht alle gedruckten Werke ihre Leserinnen und Leser erreichten, stellte sich später heraus.
Inzwischen stellt sich heraus, dass auch in der Bundesrepublik Deutschland Krimis als Vehikel für Gesellschaftskritik immer attraktiver werden. Ein Beispiel dafür ist der "Tatort". In dieser Serie erfährt man gelegentlich mehr über Drogen-, Waffen- und Menschenhandel, über Zwangsprostitution und Korruption als aus der Tageszeitung. Mittlerweile können auch schon viele Krimiautorinnen und Krimiautoren nicht mehr auf das Jugendamt verzichten. Da sind sie aber noch ein bisschen naiv.
Gestern wurde im Zweiten Deutschen Fernsehen die Geschichte einer zerrütteten Familie erzählt. Gegen Ende der Handlung beschwerte sich einer der Söhne darüber, dass man ihn als Kind in eine Pflegefamilie gesteckt und nie gesucht habe. So manches Jugendamt ist schon viel weiter. Immer häufiger müssen Eltern sogar fürchten, dass sie ihre Kinder zwar zur Schule bringen, aber nicht mehr von dort abholen können, weil das Jugendamt schneller war.
Legende ist inzwischen jene Schulleiterin aus Nordrhein-Westfalen, die Jugendamt und Polizei so lange in ihrem Büro fest hielt, bis das Kind, das mitgenommen werden sollte, in Sicherheit war. Im Landkreis Offenbach dagegen war dieser Tage ein Vater nicht so gut dran. Sein Mädchen war weg. Der Unterricht endete für die Kleine mit einem Transport zu einer Pflegefamilie, die fortan das Kind nicht mehr zur Schule gehen ließ. Nach drei Wochen hatte der Vater sein Kind zurückerobert - und bekam dafür die Quittung. Für die Zeit, die seine Tochter in einer Pflegefamilie verbrachte, soll er das Kindergeld zurückzahlen, außerdem soll er die Kosten für den Aufenthalt in der Pflegefamilie tragen. Das sei so Gesetz, sagt die Behörde.
Dann ist ja alles gut. So kann man die Schulpflicht auch aushebeln und die Kosten für die Kinder- und Jugendhilfe abwälzen. Aber auf diese "schöne, neue Welt" kann man eigentlich auch verzichten, sie ist bereits Titel eines Bestsellers. Das reicht...
Späte Reaktion
27. September 2016. Zu diesem Beitrag hat mich heute eine mail erreicht. Hier lesen
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